Pflege: jetzt weiß ich wieder, warum ich gerne in der Altenpflege arbeite

Nach rund 22 Berufsjahren als Altenpflegehelferin in einer stationären Einrichtung hatte ich genug.

Mein Name, Marlies G., 56 Jahre und von Beruf Altenpflegehelferin. Als Kind der ehemaligen DDR, arbeitete ich als Bindemittelfacharbeiterin. Mit dem Mauerfall kam für mich 1989 die Arbeitslosigkeit. Es folgten, Eheschließung, die Geburt unseres Sohnes Marco und ein Leben als Hausfrau und Teilzeitbeschäftigte in einem Getränkemarkt. Nebenbei versorgte ich täglich meinen Schwiegervater, der seit einem Schlaganfall auf Hilfe angewiesen war. Ich glaube, die Versorgung meines Schwiegervaters war damals der Auslöser, dass ich mir eine neue berufliche Herausforderung in der Altenpflege vorstellen konnte.

Eine neue berufliche Zukunft in der Altenpflege

Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich meinem Berater im Jobcenter von dieser Idee erzählte. Daraufhin ging alles sehr schnell. Kaum 3 Monate später saß ich als Auszubildende in einer Qualifizierungsmaßnahme zur Altenpflegehelferin. Die Ausbildung machte mir sehr viel Spaß. Schließlich schloss ich diese mit einer glatten 1 ab. Schon vor der Prüfung bekamen die meisten in unserem Kurs Stellenangebote von stationären und ambulanten Einrichtungen. Ich entschloss mich in die stationäre Altenpflege zu gehen.

Die erste Zeit als Altenpflegehelferin im Heim

In den Praxisphasen während meiner Ausbildung hatte ich schon einen Einblick in die täglichen Abläufe und Arbeitsaufgaben in einer stationären Einrichtung bekommen. Die Arbeit mit den alten Menschen machte mir sehr viel Freude. Wir machten wöchentliche Beschäftigungsnachmittage und bei schönem Wetter Ausflüge mit den Bewohnern und hatten eigentlich Zeit für jeden Einzelnen.

Als 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung kam, wurde unsere Einrichtung von einem anderen Träger übernommen.

Pflege unter neuen Bedingungen

Mit der neuen Geschäftsführung kam dann auch recht schnell der „Umbau“ der bisherigen Strukturen. Eine neue Pflegedokumentation wurde eingeführt. Die Bürokratie nahm zu. Unsere Pflegedienstleitung erklärte uns fast täglich, dass dies der Qualität geschuldet sei und wir jederzeit mit einer Prüfung durch den MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen) rechnen müssten. Das Ausfüllen von Formularen in denen wir fast jeden Arbeitsschritt zu dokumentieren hatten, kostete wahnsinnig viel Zeit. Diese Zeit fehlte uns schließlich bei der Arbeit am Menschen. Zu allem Übel wurde jetzt auch noch Personal abgebaut. Dem neuen Pflegeschlüssel sei diese Maßnahme geschuldet, so die Geschäftsführung. Flankierend hierzu wurde die Küche verkleinert und das Essen von einem in der Nähe liegenden Krankenhaus bezogen. Frühstück und Abendessen mussten wir Pflegekräfte von nun an selbst richten. Wir müssen unsere Ausgaben senken, so die Geschäftsführung.

Die Stimmung unter den Mitarbeiter/-innen und Bewohner-/innen wurde immer schlechter. Krankmeldungen wurden immer mehr, geschuldet der Überlastung des Pflegepersonals. Inzwischen arbeiteten wir pro Schicht mit einer examinierten Pflegekraft und drei Helferinnen sowie einer Schülerin oder Praktikantin für immerhin knapp 60 pflegebedürftige Menschen. Fehlte eine Person im Team, war die Arbeit kaum zu schaffen. Es kam vor, dass Menschen in dieser Zeit unbegleitet in ihrem Zimmer verstarben.

Die Unzufriedenheit wächst von Jahr zu Jahr

Wenn man in der Altenpflege die einem anvertrauten Menschen nicht so versorgen kann, wie man sollte, dann fängt es an, an einem zu nagen. Zumindest war das bei mir so. Meine körperliche und vor allem psychische Belastungsgrenze schien erreicht und die Unzufriedenheit wuchs. Es fehlte mir unter den gegenwärtigen Bedingungen vor allem die Zeit für die Menschen. Mein Gewissen meldete sich von Tag zu Tag mehr. Ich kündigte.

Zeit für eine Veränderung

Durch eine Freundin aus meinem ehemaligen Kurs hörte ich von der sog. häuslichen 1:1 Pflege. Diese fand in den Haushalten der zu Betreuenden statt und war auf 14 Tage ausgelegt. Danach hatte man viel Freizeit. Da unser Sohn inzwischen in Erfurt eine eigene Familie hatte und mein Mann den halben Monat für eine bayerische Fertighausfirma auf Montage war, konnte ich mir gut vorstellen, so einer Tätigkeit nachzugehen. Gesagt, getan. Ich schrieb noch in der gleichen Woche eine Bewerbung an den Humanis Pflegedienst. Nach vier Tagen wurde ich zu einem Bewerbungsgespräch nach Leipzig eingeladen. Das mir vorgestellte Arbeitsmodell gefiel mir auf Anhieb. Hilfsbedürftige Menschen konnten mit diesem Modell ihren Lebensabend zu Hause verbringen. Durch die 1:1 Betreuung hatte man genügend Zeit sich dem anvertrauten Menschen zu widmen. Dies kam meinem beruflichen Ethos sehr entgegen und ich sagte sofort „ja“ zu dieser Arbeitsstelle.

Ich wurde auf Kosten meines neuen Arbeitgebers zu einem sog. Trainee  nach Karlsruhe eingeladen. Mit anderen Bewerbern wurde ich gründlich auf meinen neuen Aufgabenbereich vorbereitet. Es war eine lustige Zeit, die mich an meine Ausbildung zur Altenpflegehelferin erinnerte.

Mein erster Einsatz

Mit der Pflegedienstleitung Frau M. fuhr ich nach Heidelberg zu meinem ersten Einsatz. Es war bei einer älteren Dame, die sich seit einem Sturz nicht mehr selbständig versorgen konnte. Die Dame war eine ehemalige Pianistin und lebte in einem wunderschönen Altbau. Ich wurde der Dame vorgestellt und wir hatten sofort einen „Draht“ zueinander. Diese Dame betreute ich dann die kommenden 20 Monate Abwechselnd mit einer Kollegin. Während dieser Zeit lernte ich viel über mich. Das Zusammensein mit der alten Dame machte mir Spaß. Sie war eine blitzgescheite und bescheidene Person. Täglich spielte sie mir auf dem Flügel Volkslieder wie z.B. „Hoch auf dem gelben Wagen“ vor und wir sangen gemeinsam. Nachmittags wollte sie ihre Ruhe und krustelte in ihrem Büro bis in den frühen Abend. Ich nutzte diese Zeit um Alt Heidelberg zu erkunden oder um einzukaufen. In dieser Zeit wurde mir klar, es muss einem gut gehen, um gut zu pflegen. Und mir ging es gut.

Nach oben scrollen