Gesundheitsminister Spahn will den Personalmangel durch ausländische Arbeitskräfte beheben

Deren Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden, um die klaffende Pflegelücke zu beheben. HUMANIS fragt sich, wem das hilft. 

Laut Tagesschau (www.tagesschau.de/inland/sofortprogramm-pflege-101.html) sind derzeit in der Pflege 36.000 Stellen unbesetzt und selbst diese Zahl muss nicht stimmen, da häufig freie Stellen nicht gemeldet werden (lt. Deutsches Pflege-Thermometer 2018). Die Masse der unbesetzten Stellen trifft in erster Linie die Altenpflege. In der Versorgung der älteren Menschen unseres Landes gibt es derzeit, zumindest, was die gemeldeten Zahlen betrifft, 15.000 fehlende Fachkräfte und 8.500 fehlende Helfer. Entscheidende Gründe hierfür seien zum einen der Fachkräftemangel und die abnehmende Qualität der Bewerber für diesen Beruf (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-03/pflege-fachkraeftemangel-jens-spahn ).

Unter den derzeitigen Bedingungen wird es für Pflegekräfte immer schwieriger, ihrem pflegerischen und humanistischen Anspruch treu zu bleiben, da u.a. für die psychosoziale Betreuung der Pflegebedürftigen von den Pflegekassen keine Vergütung vorgesehen ist.

Auf 100 offene Stellen kommen nur 21 Arbeitssuchende. Der Markt ist quasi leergefegt und natürlich sucht der Gesundheitsminister nach Lösungen. Nun kann man natürlich sagen, schlechte Pflege ist besser als keine. Aber so wie das Sofortprogramm der Koalition und der Einstellung von 8.000 Pflegekräften, wenn 36.000 fehlen, ist auch dieser Ansatz wieder zu kurz gesprungen. Denn nicht umsonst, ist die Pflegeausbildung in Deutschland hochwertig und umfassend. Sie mit nicht oder wenig Deutsch sprechenden, nicht adäquat ausgebildetem Personal zu stopfen, ist aus unserer Sicht eine eher schlechte Lösung. Denn hier geht es nicht nur um das schlichte Besetzen offener Stellen. Hier geht es um Menschen. Um Alte und Kranke, ohne Lobby noch dazu. Klar, es gibt in der Europäischen Union hervorragend ausgebildete Pflegekräfte (Bachelorniveau). Diese werden aber zu den derzeitigen Bedingungen sicher nicht nach Deutschland kommen.

Pflegen ohne sprechen ist schwer möglich. Wer spricht, pflegt bereits

Löcher stopfen! Genau dies trifft dieser Vorschlag. Nehmen wir uns mal Oma Ilse aus Sachsen. Sie wartet den ganzen Tag auf ihre Pflegekraft, denn sie kommt allein nicht mehr aus dem Haus. Der Besuch der Pflegerin oder des Pflegers ist also über weite Strecken der einzige soziale Kontakt des Tages. Und was passiert dann? Es kommt jemand, mit dem sie sich nicht austauschen kann, der Diagnosen und Wünsche nicht versteht, der kein nettes Wort mit ihr wechseln kann und eine selten bessere Ausbildung hat. Schon selbst kleine Akzente machen oft den hörschwachen älteren Menschen zu schaffen und mindern das Verständnis dessen, was gesagt wird. Ein Problem, denn unter Umständen kann genau diese Sachen (über-)lebenswichtig sein. Es geht ja nicht nur ums blanke Versorgen: Es geht um beiderseitiges Verständnis, Vertrauen und einen Beruf, der Hingabe und Empathie erfordert. Wie soll das eine Pflegekraft schaffen, die mit dem bloßen Verständnis unserer nicht leicht zu lernenden Muttersprache schon überfordert ist?

Hinzu kommt, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich die Freude an der Arbeit bei der neuen Pflegekraft sich in Grenzen halten wird: Häufig kommen sie als Leihkräfte und werden schlechter bezahlt. Wen trifft der Frust? Die Alten und Kranken. Alles in allem also wieder eine „Lösung“, die auf den Schultern der Schwächsten ausgetragen wird.

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